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BGH: Abwehr der Versteigerung der ehelichen Immobilie

BGH: Abwehr der Versteigerung der ehelichen Immobilie

In dem Beschluss vom 16. November 2022 (Az. XII ZB 100/22) hat der Bundesgerichtshof die Frage geklärt, wann die Abwehr der Versteigerung der ehelichen Immobilie herbeigeführt werden kann.

 

Sachverhalt:

Die Beteiligten, getrenntlebende Eheleute, haben im Jahr 2000 geheiratet und waren Eigentümer einer gemeinsame Immobilie. Im Jahr 2017 erwarben beide ein Mehrfamilienhaus, welches in zwei Wohneinheiten aufgeteilt war. Eine dieser Einheiten wurde als Ehewohnung genutzt, die andere vermietet. Darüber hinaus gehört beiden ein gemeinsames Ferienhaus in der Türkei.

Die Eheleute trennten sich im Juni 2018. Der Ehemann zog aus der Ehewohnung aus. Die Ehefrau verblieb mit den beiden Töchtern (geboren 2004 und 2008). Im September 2018 wurde das Scheidungsverfahren in der Türkei durch den Ehemann eingeleitet. Nach circa drei Jahren des Getrenntlebens, jedoch vor der Scheidung, leitete er die Teilungsversteigerung in beide Wohnungseigentumseinheiten der gemeinsamen Immobilie ein. Die Ehefrau beantragte die Teilungsversteigerung für unzulässig erklären zu lassen. Da ihr Antrag weder vor dem Amtsgericht noch vor dem Oberlandesgericht Erfolg hatte, hat die Ehefrau ihr Begehren vor dem Bundesgerichtshof weiterverfolgt.

 

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hat den Antrag der Ehefrau als unbegründet zurückgewiesen.

 

Einwände eines Ehegatten gegen die Teilungsversteigerung

Soweit entgegenstehende Rechte im Grundbuch eingetragen sind, prüft das Vollstreckungsgericht die Zulässigkeit von Amts wegen. In anderen Fällen muss der Ehegatte, der die Teilungsversteigerung für unzulässig hält, diese entgegenstehenden Rechte ausdrücklich geltend machen. Im zu entscheidenden Fall hat die Ehefrau dies durch eine sog. Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO getan. Auf diesem Weg kann ein „die Veräußerung hinderndes Recht“ geltend gemacht werden.

Bei Eheleuten kommt häufig § 1365 BGB in Betracht. Nach § 1365 BGB kann ein Ehegatte nur mit Einwilligung eines anderen über sein Vermögen im Ganzen verfügen. Wenn der Miteigentumsanteil an der Immobilie nahezu das gesamte Vermögen eines Ehegatten ausmacht, soll dieses Vermögen nicht ohne Einwilligung der ehelichen Lebensgrundlage entzogen werden dürfen. Im zu entscheidenden Fall, war nicht das nahezu gesamte Vermögen betroffen. Wie oben ausgeführt, verfügen die Eheleute über ein Ferienhaus in der Türkei. Aus diesem Grund steht der Einwand des § 1365 BGB der Teilungsversteigerung nicht entgegen.

Weiter berief sich die Ehefrau auf die Pflicht zur ehelichen Fürsorge und Rücksichtnahme nach § 1365 Abs. 1 S. 2 BGB. Diese betrifft auch den rechtlich geschützten räumlich-gegenständlichen Bereich der Eheleute. In der Vergangenheit hatte der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 28. September 2016, Az. XII ZB 487/15) bereits entschieden, dass die Ehewohnung auch während der Trennung diesen Charakter beibehält. Daraus wurde vereinzelt abgeleitet, dass der Charakter der Ehewohnung einer Teilungsversteigerung entgegenstehe.

 

BGH: Teilungsversteigerung vor Ehescheidung nicht pauschal unzulässig

Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass kein pauschales Verbot der Teilungsversteigerung während der Trennungszeit besteht. Die Teilungsversteigerung kann auch vor Rechtskraft der Ehescheidung zulässig sein.

Es sei eine Abwägung der beiderseitigen Interessen nach den konkreten Umständen des Einzelfalls vorzunehmen. Abzuwägen sind die Beweggründe des Ehegatten der die Versteigerung verlangt, die Interessen dessen, der in der Ehewohnung verbleiben möchte, Belange der im Haushalt lebenden (minderjährigen) Kinder, die Dauer der Trennung und wie das Miteigentum begründet wurde.

Im zu entscheidenden Fall überwogen die Interessen des Ehemannes an der Versteigerung.

 

Fazit

Die jahrelange Unsicherheit, ob ein Ehegatte vor der Scheidung die Zwangsversteigerung verlangen kann, wurde durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ausgeräumt. Es wurde klagestellt, dass es auf die Abwägung im Einzelfall ankommt.

Auch wenn die Teilungsversteigerung während der Trennung grundsätzlich zulässig ist, besteht die Möglichkeit der Einstellung gem. § 180 Abs. 2, 3 ZVG oder in absoluten Härtefällen Vollstreckungsschutz gem. § 765a ZPO.

 

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