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Rechtsschutz in der Zwangsversteigerung

Rechtsschutz in der Zwangsversteigerung

Da ist bei der Zwangsversteigerung regelmäßig um den wertvollsten Besitz geht, ist der Rechtsschutz im Zwangsversteigerungsverfahren von elementarer Bedeutung. So ist der Schuldnerschutz an verschiedenen Stellen des Verfahrens vorgehsehen und soll nachfolgend erläutert werden.

 

§ 30 a ZVG – Einstellung wegen wirtschaftlicher oder persönlicher verhältnisse

Systematik

Nach § 30a ZVG kann das Versteigerungsverfahren einstweilen eingestellt werden. Dabei gilt dies nur für das Vollstreckungsverfahren und nicht für das Verfahren zur Aufhebung der Gemeinschaft.

Die Antragstellung ist fristgebunden. Sie muss innerhalb von zwei Wochen nach Belehrung des Gerichts gestellt werden. Die Belehrung durch das Gericht erfolgt mit Anordnung der Zwangsversteigerung.

Die maßgeblichen Tatsachen, die die einstweilige Einstellung des Verfahrens begründen sind vom Schuldner glaubhaft zu machen. Nimmt der Gläubiger Stellung, erfolgt eine Übersendung an den Schuldner.  Daraufhin wird der Gläubiger unter Fristsetzung vom Gericht gehört. Das Gericht wird dann über den Antrag durch Beschluss entscheiden. Nach den Maßgaben des Abs. 3 und 4 werden dem Schuldner Auflagen erteilt. Schlussendlich wird das Verfahren nach Beendigung der einstweiligen Einstellung nur dann fortgesetzt, wenn der Gläubiger die Fortsetzung nach § 31 ZVG beantragt oder der Schuldner die Auflagen nicht erfüllt, § 30a Abs. 5 ZVG.

Wenn der Schuldner die einstweilige Einstellung erneut beantragt, unterbleibt die Fortsetzung des Verfahrens, hier gilt die Notfrist mit Zustellung des Fortsetzungsbeschlusses. Dagegen steht dem Gläubiger das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu.

 

Voraussetzungen

Antrag des Schuldners

Die einstweilige Einstellung wird nur auf Antrag des Schuldners verfolgt. Soweit mehrere Personen Schuldner des Verfahrens sind, kann der Antrag nur von allen Schuldnern gemeinsam gestellt werden.

Im Antrag muss vom Schuldner ausführlich dargelegt werden, aufgrund welcher Tatsachen die Zwangsversteigerung vermieden werden kann. Mithin sind die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse darzulegen. Wichtig ist dabei auch die Erläuterung, in welcher Weise und mit welchen Mitteln die Forderung des Gläubigers befriedigt werden soll.

 

Aussicht auf Vermeidung der Versteigerung

Voraussetzung für die Einstellung ist die sog. Sanierungsfähigkeit des Schuldners. Darunter versteht man die Möglichkeit des Schuldners, den Anspruch des Gläubigers nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen zu befriedigen. Die Prognose der Sanierungsfähigkeit muss ergeben, dass der Schuldner innerhalb von zwölf Monaten den Anspruch des betreibenden Gläubigers voraussichtlich tilgen kann, denn die einstweilige Einstellung erfolgt für höchstens sechs Monate und kann nach § 30c ZVG ein weiteres Mal gewährt werden. Neben den wirtschaftlichen Interessen, sind auch die persönlichen Interessen, wie z.B. Unterhaltsverpflichtungen, Entfernung vom Wohnort zum Arbeitsplatz zu berücksichtigen.

 

Billigkeit der Einstellung

Die einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens muss zudem der Billigkeit entsprechen. Dies überschneidet sich mit der in § 30a Abs. 2 ZVG festgeschriebenen Berücksichtigung der Gläubigerinteressen. Wenn der Schuldner beispielsweise eine akute schwere Krankheit zu überstehen hat oder plötzlich arbeitslos geworden ist, kann dies zur Billigkeit der Einstellung führen. Jedoch ist bei der Billigkeitsentscheidung auch die Art der Forderung zu berücksichtigen. Forderungen aus unerlaubter Handlung oder Unterhaltsforderungen bevorzugt behandelt. Wird das Versteigerungsverfahren wegen solcher Forderungen betrieben, kann dies gegen eine Billigkeit der Einstellung sprechen.

Zudem kann auch das bisherige Verhalten des Schuldners im Rahmen der Vollstreckung einbezogen werden. Eine (versuchte) Vereitelung oder koorperatives Verhalten kann die Entscheidung, in die eine oder andere Richtung beeinflussen.

 

Berücksichtigung der Gläubigerinteressen

Die einstweilige Einstellung muss auch dem Gläubiger zumutbar sein, § 30a ZVG. Konkret sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des betreibenden Gläubigers sowie mögliche Nachteile, die mit der Versteigerung zu einem späteren Zeitpunkt einhergehen zu berücksichtigen. Ein solcher Nachteil kann ein geringerer Versteigerungserlös sein. Geringfügige Einbußen sind darunter jedoch nicht zu verstehen.

 

Zahlungsauflagen

30a ZVG sieht in den Abs. 3-5 die Erteilung von Zahlungsauflagen vor. Dabei hat das Gericht im Einstellungsbeschluss den Zeitpunkt und die Höhe der Zahlungsauflagen anzugeben.

 

§ 85a ZVG – Versagung des Zuschlags

85a ZVG sieht vor, dass der Zuschlag bei einem Meistgebot unter 5/10 des festgesetzten Verkehrswertes zu versagen ist. Sie dient daher dem Schutz des Schuldners vor der Verschleuderung seines Grundstücks. Sinn und Zweck ist es, dass die Versteigerung nicht nur einem Erlös dienen soll, sondern auch zu einem wirtschaftlich vertretbaren Ergebnis führen soll. Die Vorschrift ist von Amts wegen zu beachten und ist bei Vorliegen der Voraussetzungen zwingend.

 

Allgemeines

Grundlage für die Versagung ist ein wirksames Meistgebot, welches einschließlich des Kapitalwertes der bestehenbleibenden Rechte unter der Hälfte des Grundstückswertes bleibt. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen muss der Rechtspfleger den Zuschlag versagen und einen zweiten Versteigerungstermin ansetzen. Die Wertgrenzen gelten dann nicht mehr., § 85a II ZVG.

 

Problem: Eigengebote des Gläubigervertreters

Problematisch sind Fälle, in denen der Vertreter eines Gläubigers ein Eigengebot abgibt, ohne am Erwerb der Immobilie interessiert zu sein. Solche Eigengebote eines Gläubigervertreters sind dann unwirksam und zurückzuweisen, wenn das Gebot nur dann abgegeben wird, um die Wertgrenzen in einem weiteren Versteigerungstermin fallen zu lassen. Wirksam dagegen ist ein Gebot, dass zwar darauf abzielt, die Wertgrenzen fallen zu lassen, jedoch nur um im weiteren Versteigerungstermin den Erwerb mit einem geringerem Gebot zu erzielen.

 

§ 114a ZVG – Befriedigungsfiktion

§ 114a ZVG ist eine Befriedigungsfiktion. Ersteigert ein Gläubiger selbst das Versteigerungsobjekt, so gilt er auch dann als befriedigt, wenn sein Meistgebot unter 7/10 des Grundstückswertes liegt.

Sinn und Zweck ist es zu verhindern, dass der Gläubiger durch den günstigen Erwerb der Immobilie zusätzlich seine Forderung gegen den Schuldner geltend machen kann. Gleiches gilt für eine Tochtergesellschaft des Gläubigers. Er gilt auch dann als befriedigt.

 

§ 765a ZPO – Sittenwidrige Härte

Große Bedeutung kommt dem Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO in der Zwangsversteigerung zu. Sinn und Zweck ist die Milderung untragbarer Härten, die durch eine Vollstreckungsmaßnahme ausgehen kann, abzumildern. Insofern gilt § 765a ZPO über das Zwangsversteigerungsverfahren hinaus auch für alle anderen Vollstreckungsmaßnahmen.

Die Tatbestandsvoraussetzungen sind hier sehr eng gesteckt, da es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen gegeben, kann eine einstweilige Einstellung des Verfahrens oder auch eine Aufhebung des Verfahrens gegeben sein, nicht jedoch die Vollstreckung in Gänze.

 

Fallgruppen

In der Rechtsprechung haben sich für die Anwendung des § 765a ZPO Fallgruppen entwickelt, wobei diese nicht abschließend sind. Eine sittenwidrige Härte kann sich auch aus anderen Gründen ergeben. Es kommt hier stets auf den Einzelfall an.

 

Aussichtslose Vollstreckung durch den Gläubiger

Wenn die Vollstreckung allein der Schädigung des Schuldners dient und dem Gläubiger keinerlei Vorteil bringt, liegt eine sittenwidrige Härte vor. Eine Schädigungsabsicht des Gläubigers muss allerdings nicht vorliegen.

Wenn die Zwangsversteigerung von einem Gläubiger an scheinbar aussichtsloser Stelle betrieben wird, ist nicht unbedingt ein Fall des § 765a ZPO gegeben. Auch der Gläubiger hat ein Rechtsschutzbedürfnis für die Zwangsvollstreckung, welches ihm nicht abgesprochen werden darf.

 

Verschleuderung des Grundstücks

Oftmals wird die Erteilung des Zuschlags an ein angeblich unverhältnismäßig geringes Meistgebot als ein Fall sittenwidriger Härte angesehen. Eine einheitliche Verwertung solcher Fälle ist nicht möglich. Maßgebend ist daher der Einzelfall unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Versteigerungsobjekts, der konkreten Bietsituation und der Dauer des Verfahrens.

 

Drohende Suizidgefahr

Die ernsthafte gesundheitliche Beeinträchtigung des Schuldners oder ihm nahe Angehörige ist besonders im Zwangsversteigerungsverfahren von Bedeutung. Dabei sind substantiierte und ernsthafte Gefährdungen von rechtsmissbräuchlichen zu unterscheiden. Die Unterscheidung ist nicht immer einfach.

 

§ 771 ZPO analog – “Widerspruchsklage”

§ 771 ZPO analog wird als “unechte Drittwiderspruchsklage” bezeichnet. Sie kann erhoben werden, wenn eine Teilungsversteigerung verhindert werden soll, die aus materiellen Gründen unberechtigt ist. Insofern greift auch hier der Rechtsschutz in der Zwangsversteigerung. Begründet wird dies damit, dass im Gegensatz zu einer Zwangsversteigerung, der Teilungsversteigerung kein Vollstreckungstitel voraus geht. Ohne diese Möglichkeit, würde der Rechtsschutz des Antragsgegner untergraben werden.

Eine Klage nach § 771 ZPO analog kann beispielsweise dann erforderlich sein, wenn von einem ehemaligen Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) die Versteigerung zur Aufhebung der Gemeinschaft betrieben wird. Da die Gesellschaft dann bereits nicht mehr besteht, liegt kein Grund für eine Versteigerung zur Aufhebung der Gemeinschaft vor.

Andernfalls ist der verbleibende Gesellschafter hier ohne Klagemöglichkeit ansonsten rechtsschutzlos gestellt.

 

Zusammenfassung

Insgesamt ist der Rechtsschutz des Schuldners in der Zwangsversteigerung in jedem Verfahrensstadium gegeben. Dennoch sind die Voraussetzung eng gesteckt, um das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers nicht zu untergraben. Die Chancen auf Einstellung des Verfahren sind hoch, soweit die nötigen Voraussetzungen vorliegen und  ggf. glaubhaft dargelegt werden. Dabei sind immer auch die Interessen des Gläubigers vom Vollstreckungsgericht zu berücksichtigen. Der Rechtsschutz in der Zwangsversteigerung ist damit im Grunde zielführend.

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