Scroll Top

BGH: Grenzüberschreitende Wärmedämmung in Berlin zu dulden

Verkündung des Urteils in Sachen V ZR 23/21

Der V. Zivilsenat  des Bundesgerichtshofs entschied zuletzt darüber, ob eine grenzüberschreitende Wärmedämmung eines Nachbarn geduldet werden muss oder ob dies die Eigentumsfreiheit des Beklagten verletzt.

Sachverhalt

Die beteiligten Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Berlin. Das auf dem Grundstück der Beklagten stehende Gebäude ist ca. 7,5 m niedriger als das Gebäude der Klägerin. Diese will im Rahmen einer Fassadensanierung den seit 1906 nicht mehr sanierten grenzständigen Giebel ihres Gebäudes mit einer 16 cm starken mineralischen Dämmung versehen und in diesem Umfang über die Grenze zum Grundstück der Beklagten hinüberbauen. Amts- und Landgericht hatten die Beklagte zur Duldung verpflichtet, allerdings ist diese der Auffassung, die landesrechtliche Regelungen verstößt gegen das Grundrecht der Eigentumsfreiheit Art. 14 GG.

Rechtliche Grundlage der Baumaßnahmen

Der Sachverhalt bewegt sich im Bereich des Nachbarschaftsrechts, welches grundsätzlich Ländersache ist. In anderen Bundesländern ist genau geregelt, wieviel Platz eine Dämmung maximal einnehmen darf, wenn sich eine Bestandsbaute an einer Grundstücksgrenze befindet. Hier in Berlin ist der Wärmeschutzüberbau in § 16a NachbG Bln geregelt- allerdings fehlen exakte Angaben. Nach dieser Norm hat der Eigentümer eines Grundstücks eine grenzüberschreitende nachträgliche Wärmedämmung zu dulden, sofern es sich um Bestandsbauten handelt.

Schwerpunkt des Revisionsverfahrens

Im Revisionsverfahren ging es um die materielle Verfassungsmäßigkeit von § 16a NachbG Bln. Der Senat hat in seinem zu § 23a Abs. 1 NachbarG NW ergangenen Urteil vom 12. November 2021 (V ZR 115/20) entschieden, dass § 16a NachbG Bln von der Gesetzgebungskompetenz der Länder umfasst und damit auch formell verfassungsgemäß ist.  Deshalb wird in der Revision hauptsächlich die Frage der materiellen Verfassungsmäßigkeit von § 16a NachbG Bln behandelt. Der Senat hatte zu entscheiden, ob die Norm das Grundrecht auf Eigentum gemäß Art. 14 GG verletzt, denn in diesem Fall dürften die Richter des Bundesgerichtshofs die Norm nicht anwenden und der Rechtsstreit wird an das Bundesverfassungsgericht verwiesen.

Urteil vom 1. Juli 2022 – V ZR 23/21

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Da der Bundesgerichtshof lediglich Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 16a NachbG Bln hat, von dieser jedoch nicht ausreichend überzeugt ist, scheidet auch eine Vorlage beim Bundesverfassungsgericht aus. Es ginge nicht nur um die Individualinteressen der Beteiligten, sondern vor allem um das Allgemeinwohl. Aus Art. 20a GG werde das Klimaschutzgebot abgeleitet, welches mittlerweile Verfassungsrang hat. § 16a NachbarG Bln ziele auf Energieeinsparungen bei bestehenden Wohngebäuden ab, also auf den Klimaschutz. Die grenzüberschreitende Wärmedämmung sei geeignet sowie erforderlich um das Ziel zu erreichen. Das Recht sei hierbei allerdings möglichst schonend auszuüben, die baulichen Maßnahmen dürfen nicht zu Unzeiten erfolgen und die Dämmung müsse stets in funktionsgerechtem Zustand gewartet werden. Der zur Duldung Verpflichtete könne auf Entfernung des Überbaus bestehen oder zumindest ein Entschädigung in Form einer Geldrente erhalten. Dies sei allerdings nur der Fall, wenn er später selbst an seine Grenzwand anbauen möchte.

 

JUR | URBAN BERÄT SIE IM NACHBARSCHAFTSRECHT. HABEN SIE FRAGEN?

KONTAKTIEREN SIE UNS JETZT.