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Regelungen rund um das Nachbarschaftsrecht

Was ist das Nachbarschaftsrecht?

Eigentümer haben nach § 903 BGB das Recht, mit einer Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen. Erfassen die Wirkungen des Handelns fremde Grundstücke in räumlicher Nachbarschaft, so führt das zu einer Kollision mit den Befugnissen der Eigentümer. Derartige Konflikte können durch gegenseitige Rücksichtnahme und Duldung der Einwirkung zum Interessenausgleich gebracht werden. Als Nachbarrecht wird die Gesamtheit der Normen bezeichnet, die das zwischen den Grundstückseigentümern bestehende Verhältnis zueinander regelt. Ziel ist ein friedliches Miteinander der Nachbarn.

 

Wo ist das Nachbarschaftsrecht geregelt?

Das Nachbarrecht setzt sich aus einer Vielzahl von privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Vorschriften zusammen.

Die Vorschriften stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern sind grundsätzlich gleichrangig.

Das private Nachbarrecht regelt das Verhältnis zweier Nachbarn zueinander. Dieses ist in §§ 903-924 BGB und § 1004 BGB geregelt und gilt für alle Bundesländer einheitlich.

Dagegen ist bei dem öffentlichen Nachbarrecht auch die Verwaltungsbehörde an dem nachbarlichen Verhältnis beteiligt. Nachbarschützende Vorschriften sind dann anzunehmen, wenn eine Vorschrift individuelle Interessen schützt.

Das öffentliche Nachbarrecht ist im Wesentlichen im Baurecht und im Bundesimmissionsschutzgesetz geregelt.

Zusätzlich können die einzelnen Länder Nachbarrechtsgesetze erlassen. Darüber hinaus können Regelungen durch Satzungen der Gemeinden konkretisiert werden.

Weitere Rechte und Pflichten leiten sich nach Richterrecht aus Gerichtsurteilen ab. Das Gesetz verwendet häufig sogenannte “unbestimmte Rechtsbegriffe”, die einer Interpretation bedürfen. Die Entscheidungen gehen daher oft auseinander.

Nachbarn können anzuwendendes Nachbarrecht auch durch rechtgeschäftliche Regelungen, insbesondere Vertrag, vereinbaren. Solche Nachbarschaftsvereinabrungen sind nicht unüblich.

Daneben können Grundbücher Auskunft über bestimmte Grunddienstbarkeiten für Nachbarn geben.

Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB 

Nach § 1004 Abs. 1 BGB kann ein Eigentümer von einem Störer die Beseitigung oder Unterlassung einer Beeinträchtigung verlangen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Adressat Handlungsstörer oder Zustandsstörer ist. Die Beeinträchtigung muss wesentlich sein. Bei der Beurteilung ist auf das Empfinden eines “verständigen” Durchschnittsmenschen und auf das was zumutbar ist, abzustellen. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist. Duldungspflichten können durch Vertrag, kraft Gesetzes oder im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses bestehen. Der Anspruch kann dann im Wege der Abwehrklage geltend gemacht werden.

Duldungspflichten nach §§ 906 ff. BGB

Nachbarschaftsrecht legt dem Grundstückseigentümer die Pflicht auf, bestimmte Beeinträchtigungen seines Eigentums zu dulden. Der Duldungspflicht unterliegen insofern die unwesentlichen Beeinträchtigungen unwägbarer Stoffe nach § 906 Abs. 1 BGB, die ortsübliche Benutzung des Grundstücks, der Überhang nach § 910 BGB, der Überfall von Früchten nach § 911 BGB, der Überbau nach § 912 BGB, der Notweg nach § 917 BGB, die Grenzverhältnisse und Grenzeinrichtungen nach §§ 919-923 BGB, sowie die Einwirkungen nach den Landesstraßengesetzen und aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis. Eine nach § 906 Abs. 1 BGB unwesentliche Beeinträchtigung kann sich aus den in den Gesetzen festgelegten Grenz- oder Richtwerten ergeben oder aus Verwaltungsvorschriften, die beispielsweise nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz oder der TA Lärm bestehen.

Nachbarrechtlicher Ausgleichanspruch als Ersatzanspruch 

Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs.2 S.2 ist gesetzlich nicht legaldefiniert. Dieser ist nach dem BGH dann gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen der privatwirtschaftlichen Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die nicht zu dulden sind.

Der Anspruch ist verschuldensunabhängig und subsidiär zu anderen Schadensersatzansprüchen.

Nach einem BGH Urteil vom 25.10.2013, V ZR 230/12 steht dem Wohnungseigentümer und Vermieter ein nachbarrechtlicher Ausgleichanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs.2 S.2 zu, wenn sich im Sterilisationsraum des ambulanten Operationszentrum des Beklagten eine Schlauchverbindung löst, wodurch es zu einem Wasseraustritt in den Praxisräumen der Arztpraxis des Klägers kommt. 

Nach OLG Düsseldorf, Berufungsurteil vom 15. Januar 2002, 4 U 73/01 hat der Nachbar gegen den Grundstückseigentümer einen Anspruch nach § 906 II 2 BGB analog, wenn ein Baum infolge eines Sturms der Stärke 7-8, dem ein gesunder Baum standgehalten hätte, auf das Nachbargrundstück fällt.

 

Nachbarrechtsgesetz des Landes Berlin

Die Nachbarschaftsgesetze der Bundesländer stimmen inhaltlich weitestgehend überein, beinhalten jedoch teilweise abweichende Regelungen. So hat auch das Bundesland Berlin mit dem Berliner Nachbarrechtsgesetz vom Jahr 1973, mit letzter Änderung durch Art. 1 ÄndG vom 17.12.2009, eigenständige Regelungen geschaffen.

 

Beispiele aus der Rechtsprechung für nachbarrechtliche Konflikte

Lärmbelästigung und Ruhestörung

Die Lautstärke, Uhrzeit und das Umfeld sind von wesentlicher Bedeutung. Nachbarn müssen bei einem hellhörigen Wohnumfeld besonders leise sein. Es ist auf eine ortsübliche Geräuschkulisse abzustellen. Missverständnisse drohen beim Umzug von der Stadt auf das Land durch muhende Kühe, krähende Hähne in den frühen Morgenstunden und landwirtschaftliche Fahrzeuge (vgl. VG Freiburg, Urteil vom 22.12.2008, Az. 4 K 2341/0; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 08.11.2000, Az. 10 S 2317/99).

Ruhezeiten

In den Bundesländern und Gemeinden können unterschiedliche Ruhezeiten gelten. Die Nachtruhe gilt jedoch überall von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr. Es müssen dann störende Tätigkeiten wie Rasenmähen, Renovieren und der Einsatz von Werkzeug unterbleiben. An Sonntagen und Feiertagen ist ganztägig Ruhe, so auch die Mittagsruhe von 13:00 bis 15:00 Uhr zu wahren. Geräusche von Waschmaschinen oder vom Staubsaugen sind als sozialadäquate Lärmbeeinträchtigungen hinzunehmen (vgl. LG Freiburg, Urt. v. 10.12.2013, Az. 9 S 60/13). Eine Mittagsruhe gibt es in Berlin nicht. Es gelten die Lärmschutzbestimmungen nach dem Landesimmisionsschutzgesetz. Allerdings können durch Mietvertrag oder Hausordnung Ruhezeiten bestimmt werden.

Kleinkinder

Kinder genießen bei ihrer Entwicklung Freiräume. Das hier anwendbare Toleranzgebot betrifft insofern Kinderlärm durch Schreien, Lachen oder Toben als natürlicher Spiel- und Bewegungsdrang und muss geduldet werden (vgl. AG Hamburg-Bergedorf, Urt. v. 11.11.2018, Az. 409 C 285/08). Die Toleranz endet jedoch dort, wo Lärm nicht mehr als kindgerechtes Verhalten gewertet wird und die Pflicht der Eltern zu erzieherischen Maßnahmen besteht (vgl. LG Berlin, Urt. v. 05.09.2016, Az. 67 S 41/16).

Hundegebell

Hunde dürfen bellen und hörbar sein. Entscheidend sind dabei Dauer, Häufigkeit und Uhrzeit (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 11.11.2014, Az. 3 L 2216/14; LG Mainz, Urt. v. 22.06.1994, Az. 6 S 87/94). Ein Lärmprotokoll ist zu empfehlen. Bei Störungen ist entweder der Vermieter oder direkte Nachbar Ansprechpartner; gegebenenfalls ist auch das Ordnungsamt zuständig.

Musizieren

Das Spielen von Instrumenten darf in einem Mietvertrag nicht verboten werden. Die Grenze für das Üben liegt bei zwei, drei Stunden an Werktagen und ein bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen außerhalb der Mittags- und Nachtruhe (vgl. BGH, Urt. v. 26.10.2018, Az. V ZR 143/17).

 

Bäume, Sträucher und Hecken

Rückschnitt

Wenn Äste, Zweige oder Wurzeln von Bäumen oder Hecken ins Nachbargrundstück wachsen, hat der Nachbar einen Anspruch auf Rückschnitt nach § 910 Abs. 1 BGB. Der Anspruch kann allerdings verjähren. Auch in Berlin beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre ab Kenntnis von der Beeinträchtigung. Zunächst muss dem Nachbarn eine angemessene Frist zur Beseitigung gesetzt werden. Erst wenn diese verstrichen ist, kann er Selbsthilfe vornehmen, also selbst Rückschnitt vornehmen. Wenn der Baum durch unsachgemäßen Rückschnitt eingeht, kann ein Recht auf Schadenersatz entstehen.

Wem gehört das Obst?

Obst vom Nachbarbaum darf auch dann nicht gepflückt werden, wenn dessen Zweige und Äste auf das andere Grundstück ragen. Denn demjenigen, dem die Pflanze gehört, gehören auch deren Früchte. Ansonsten ist dann von einem Diebstahl auszugehen. Etwas anderes stellt sich dar, wenn das Obst auf das Grundstück fällt, weil es reif ist. Die Früchte gehören dann nach § 911 S.1 BGB dem, auf dessen Grundstück sie fallen.

 

Grundstücksgrenzen, Einfriedungen und Pflanzenabstände

Eine Einfriedung ist eine Anlage zur Abgrenzung nach außen, um das Grundstück vor Beeinträchtigungen (Betreten durch Menschen und Tiere, witterungsbedingte Einflüsse und Einblicke von außen) zu schützen und dessen Frieden zu wahren.

Es gibt keine bundesweite Einfriedungspflicht. Jeder Grundstücksbesitzer hat jedoch ein Recht darauf, auf seinem Grundstück eine Einfriedung zu errichten.

Die Länder unterscheiden zwischen einer gemeinsamen Einfriedung und einer Rechtseinfriedung. In Berlin muss nach § 21 NachbG Bln die von der Straße aus gesehen rechte Seite des Grundstücks eingefriedet werden, wenn der Nachbar das verlangt. § 22 sieht Ausnahmen von der Einfriedungpflicht vor. §§ 23, 24 beschreibt die Beschaffenheit und den Standort der Einfriedung. Es kann nur die Errichtung einer ortsüblichen Einfriedung oder eines etwa 1,25 m hohen Zauns erfolgen. Nach § 23 Abs. 2 gehen öffentlich-rechtliche Vorschriften (Bebauungsplan oder Satzung einer Gemeinde) dem Nachbarrechtsgesetz in Material und Höhe der Einfriedung vor. Die Kostenverteilung und Unterhaltungskosten richten sich nach §§ 25, 26 NachbG Bln.

Es wird zwischen toter Einfriedung (Zaun, Mauer) und lebender Einfriedung (Hecke) unterschieden.

Bei der Pflanzung einer Hecke als Grenzbebauung sind bestimmte Vorschriften einzuhalten. In Berlin muss nach § 28 Abs.1 NachbG Bln bei Hecken unter zwei Metern Höhe ein Abstand von 0,50 m und bei höheren Hecken von wenigstens einem Meter eingehalten werden. Nach § 28 Abs.2 gilt dies nicht, wenn die Nachbarn die Einfriedung auf der gemeinsamen Grenze errichten.

Sichtschutzzäune sind bauliche Anlagen und unter Umständen baugenehmigungspflichtig. Ein Blick in die Bauordnung des jeweiligen Bundeslandes oder Anruf bei der zuständigen Baubehörde sind  empfehlenswert. Diese dürfen nicht groß von schon vorhandenen Sichtschutzmaßnahmen abweichen. Ein mehrere Meter hoher Zaun muss also bei Schattenwurf nicht hingenommen werden.

Die Grenzabstände für Pflanzen werden in §§ 27 ff. NachbG Bln geregelt. Diese richten sich nach Art und Höhe der Pflanze. So gelten für Bäume, Sträucher und Hecken unterschiedliche Bestimmungen. § 29 regelt die Ausnahme von den Abstandsvorschriften. § 30 beschreibt die Berechnung des Abstandes. Bei Verstößen gegen die Vorschriften kann der Nachbar die Beseitigung der Anpflanzung nach § 31 verlangen. Dieser Anspruch verjährt jedoch nach 5 Jahren, § 32 NachbG Bln.

 

Geruchsbelästigungen

Gerüche vom Land

Landwirtschaftliche Gerüche können ortsüblich sein und müssen dann toleriert werden, solange diese nicht über das zumutbare Maß hinausgehen. So wird das Ausbringen von Gülle, die Düngung oder der Pferdehof zum normalen Betrieb einer Landwirtschaft gehören (vgl. OVG Niedersachsen, Urt. vom 15.06.2017, Az.1 ME 64/17 und 1 ME 66/17, OLG Düsseldorf, Urt. vom 28.07.1995, Az. 11 U 24/94; AG Neuss, Urt. v. 13.10.1989, Az. 36 C 337/89).

Grillen

Wenn es um das Grillen geht, kommt es insbesondere für den Mieter darauf an, was im Mietvertrag oder der Hausordnung steht. Dort können individuelle Klauseln enthalten sein, die das Grillen auf Balkon, Terrasse oder Garten verbieten oder mit bestimmten Grillvorrichtungen vorsehen (vgl. AG Westerstede, Urt. vom 30.06.2009, Az. 22 C 614/09, LG Stuttgart, Urt. v. 14.08.1996, Az. 10 T 359/96; AG Bonn, Urteil vom 29.04.1997, Az. 6 C 545/96).

Hausbesitzer sind durch weniger Vorschriften eingeschränkt. Zumindest wenn sie ein Einfamilienhaus auf einem alleinstehenden Grundstück haben. Sie müssen sich nicht mit einem Vermieter einigen, ob gegrillt werden darf und ob dabei ein Holzkohle-, Gas-, oder Elektrogrill erlaubt ist. Das Landesimmisionsschutzgesetz schreibt ein Grillverbot vor, wenn durch starke Rauchentwicklung eine Belästigung vorliegt. Diese ist bei einer Gesundheitsbeeinträchtigung anzunehmen, wenn Rauchschwaden in Wohn- und Schlafräume anderer Bewohner ziehen.

Zigarettenrauch

Auf dem Balkon oder der Terrasse darf grundsätzlich geraucht werden. Das fällt unter die vertragsgemäße Nutzung. Bei einer wesentlichen Beeinträchtigung kann das Rauchen unter Umständen zeitlich eingeschränkt werden (vgl. BGH Urteil vom 16.01.2015, Az. V ZR 110/14).

 

Umgang mit Haus- und Nutztieren

Katzen dürfen das Grundstück des Nachbarn betreten (AG Bonn, Urteil vom 12.05.2009, Az. 11 C 553/08). Die Duldungspflicht endet jedoch dort, wo es dem Nachbarn nicht mehr zugemutet werden kann, beispielsweise wenn die Katze dort ihren Kot absetzt oder die Gartenbeete durchwühlt. Bei Hunden ist es anders. Dort stellt bereits das unangeleihnte Herumlaufenlassen eine Verletzung des Eigentums durch den Hundehalter dar (vgl. LG Berlin, Urteil vom 07.12.2016, Az. 35 O 251/16).

 

Schlichtungsversuch vor Gerichtsverfahren

In zahlreichen Bundesländern muss bei einem Nachbarstreit ein sog. obligatorisches Schlichtungsverfahren durchlaufen werden, bevor das Anliegen vor Gericht verhandelt wird. Eine Klage ist also erst dann zulässig, wenn das Schlichtungsverfahren gescheitert ist. Dieses Verfahren soll zur Entlastung der Gerichte beitragen. Die obligatorische Streitschlichtung ist in vielen Bundesländern eingeführt worden, so auch in Brandenburg mit dem Brandenburgisches Schlichtungsgesetz – BbgSchlG. In Berlin ist dies bislang nicht erforderlich.

Dieses Schlichtungsverfahren ist jedoch nicht zu verwechseln mit dem schiedsgerichtlichen Verfahren, bei denen die Parteien sich freiwillig einem Schiedsrichterspruch unterwerfen bzw. auf eigene Initiative versuchen, unter der Leitung eines Mediators eine Konfliktlösung zu finden. Ein Gerichtsurteil kann das weitere Zusammenleben der Nachbarn erschweren. Dagegen kann eine gütliche Einigung mit einem Schlichter oft einen dauerhaften Rechtsfrieden herstellen.

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