Seitdem im Frühjahr 2020 viele Einzelhandelsgeschäfte aufgrund der pandemiebedingten behördlichen Anordnungen für den Publikumsverkehr geschlossen werden mussten wird die Frage diskutiert, ob Gewerbemieter aufgrund der Schließung zur Minderung der Miete berechtigt sind.
Denn während dieser Zeit konnten die Gewerberaummieter meistens keinen Umsatz verzeichnen, mussten aber dennoch weiter Miete zahlen. Viele Mieter waren daher der Ansicht, dass sie für den Zeitraum, in dem sie die Gewerbemietflächen nicht nutzen konnten, auch nicht zur Zahlung des (vollen) Mietzinses verpflichtet sind. In der juristischen Literatur wurden Lösungen über das Recht zur Minderung der Miete und über die Anpassung nach dem sogenannten Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgiebig erörtert.
Überwiegende Ansichten in der Rechtsprechung: Mietzahlungspflicht bleibt voll bestehen
Nun haben mehrere Gerichte entschieden, dass die gewerblichen Mieter trotz der Schließungsanordnungen die Miete in voller Höhe bezahlen müssen und zur Minderung der Miete nicht berechtigt sind.
Auch wenn der Mieter seinen Betrieb aufgrund der Schließungsanordnungen nicht fortsetzen kann oder nur Verluste macht, ist er grundsätzlich weiter zur Zahlung von Miete und Nebenkosten verpflichtet. Das wirtschaftliche Risiko trägt der Mieter.
Landgericht Zweibrücken
Kein Recht zur Nichtzahlung oder Minderung der Miete
Das LG Zweibrücken urteilte im September 2020 (AZ: HK O 17/20), dass die vorübergehende Schließung von Gewerbemietflächen aufgrund behördlicher Betriebsuntersagung in Folge der Corona Pandemie kein Recht zur Nichtzahlung oder Minderung der Miete für den Gewerbemieter (ein Einzelhandelsunternehmen) begründet.
Eine Minderung kommt nur bei einem Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 BGB in Betracht. Insbesondere Umsatzeinbußen des Mieters stellen jedoch keinen Mangel der Mietsache dar. Dasselbe gilt auch für öffentlich-rechtliche Beschränkungen, die ihre Ursache nicht in der vermieteten Sache haben.
So seien die pandemiebedingten Schließungsanordnungen – so das Landgericht – betriebsbezogen und begründeten damit keinen Anspruch auf Minderung der Miete. Insbesondere komme auch der Vermieter seiner vertraglichen Hauptleistungspflicht zur Gebrauchsüberlassung nach. Etwas anderes könne gelten, wenn etwa Sonderregeln für den Besuch von Einkaufszentren getroffen werden. Dann sei die Lage der Mietsache in einem Einkaufszentrum der entscheidende Gesichtspunkt. Die behördliche Untersagung beziehe sich dann auf einen Umstand, der die vom Vermieter zur Verfügung gestellte Mietsache betrifft. Ist die komplette Schließung eines Einkaufszentrums behördlich angeordnet, sei eine teilweise Mietminderung denkbar.
Keine Störung der Geschäftsgrundlage
Ein Anspruch auf Vertragsanpassung wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB und eine einhergehende Mietminderung komme im Regelfall ebenfalls nicht in Betracht. Die Vorschrift des § 313 BGB werde sehr restriktiv angewandt. Zwar entfalle durch die pandemiebedingte Betriebsuntersagung die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages. Jedoch sei dem Mieter ein Festhalten am Vertrag zumutbar, da der Mieter grundsätzlich das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache trägt. Insbesondere trage der Gewerberaummieter das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können.
Zudem könne das gemietete Objekt während des Lockdowns in den meisten Fällen weiterhin zu Lagerzwecken und als Büro genutzt werden.
Allenfalls wenn das Festhalten am Vertrag zu untragbaren Ergebnissen, insbesondere zu einer Existenzgefährdung des Mieters führen würde, könne eine Vertragsanpassung erfolgen. Zudem würde vorläufig das Risiko einer fristlosen Kündigung durch den Vermieter wegen Zahlungsrückständen unter den Voraussetzungen von Art. 240 § 2 EGBGB aufgefangen.
Auch Unmöglichkeit i.S.v. §§ 275, 326 BGB komme nicht in Betracht, da die behördlich angeordnete Schließungsanordnung nur für einen gewissen Zeitraum gilt und kein (dauerndes) Leistungshindernis vorliegt.
Landgericht Frankfurt/Main: Verwendungsrisiko beim Mieter – KEIN RECHT ZUR MINDERUNG DER MIETE
Das LG Frankfurt/Main beschloss am 08.08.2020 (AZ: 2-05 O 160/20), dass die Kündigungssperre des Art. 240 § 2 EGBGB die Zahlungsverpflichtung des Mieters unberührt lasse. Grundsätzlich gelte, dass das Verwendungsrisiko beim Mieter liege. Bei Gewerberaummietverträgen sei diese Risikoverteilung durch ständige Rechtsprechung gefestigt. Umsatzeinbußen unterliegen daher stets dem alleinigen Risiko des Mieters. Dem steht die Kündigungssperre nicht entgegen, da diese nur darauf abziele, den Gewerberaummieter vor der „Obdachlosigkeit” zu bewahren. Ein Recht zur Minderung der Miete bestünde zugunsten des beklagten Mieters (eine Einzelhandelskette) nicht.
Landgericht München: Beschränkungen infolge der Corona Pandemie BErechtigen zur Minderung der Miete
Während Gerichte überwiegend die Möglichkeit verminderter Mietzahlungen verneinen, ist das LG München (LG München I, Endurteil v. 22.09.2020 – 3 O 4495/20) der Auffassung, dass dies möglich sein kann.
Da seit der Frühzeit der Anwendung des bürgerlichen Gesetzbuchs anerkannt sei, dass ein Verbot der Öffnung von Verkaufsstellen für den Einzelhandel oder des Gastgewerbes ein Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB sein könne, stelle auch die Beschränkungen in der Corona-Pandemie für die Vermietung eines Geschäftsraumes zum Betrieb eines Einzelhandels einen Mangel dar; so der Leitsatz der Entscheidung
Neues Gesetz gibt Vermutung der Störung der Geschäftsgrundlage vor
Dieser Rechtsunsicherheit versucht der Gesetzgeber nunmehr mit einem neuen Gesetz vom 17.12.2020 entgegen zu wirken (BT Drucksache 761/20):
Art. 240 EGBGB § 7
Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen
(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher
Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher
Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.
(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.
Die neue Regelung soll nach Begründung des Gesetzgebers insbesondere die folgenden Dienstleister entlasten:
- Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege – beispielsweise Friseure, Kosmetikstudios und Massagepraxen,
- Gewerbliche Übernachtungsangebote
- Einzelhandelsgeschäfte
- Theater, Konzerthäuser, Kinos und sonstige Kultureinrichtungen
- Schwimmbäder und Fitnessstudios
- Gastronomiebetriebe sowie Bars, Clubs, Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen
- Zu Freizeitzwecken genutzte Räume
Das Gesetz solle zum einen die in der Praxis teilweise bestehenden Unsicherheiten beseitigen. Zum anderen solle auch die Verhandlungsposition der Gewerbemieter gestärkt werden. Die Regelung solle klarstellen, dass § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) grundsätzlich Anwendung finde und so an die Verhandlungsbereitschaft der Vertragsparteien appelliert. Allgemeine und mietrechtliche Gewährleistungs- und Gestaltungsrechte seien weiterhin vorrangig gegenüber § 313 BGB.
Für Fälle, in denen eine gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, werde [mit § 44 EGZPO] eine begleitende verfahrensrechtliche Regelung zur Beschleunigung der gerichtlichen Verfahren getroffen, damit schneller Rechtssicherheit erreicht werden kann.
§ 44 EGZPO
Vorrang- und Beschleunigungsgebot
(1) Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln.
(2) In Verfahren nach Absatz 1 soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der
Klageschrift stattfinden.
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