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Gewerbemietrecht: Neues Gesetz gegen Kündigung mangels Schriftform

Ein neues Gesetz soll die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung von Gewerbemietverträgen bei einen Verstoß gegen die Schriftform eindämmen.

Wenn ein Mietvertrag über Wohn- oder Gewerberaum für längere Zeit als ein Jahr geschlossen wird, dann unterliegt dieser einem Schriftformgebot gemäß § 550 S. 1 BGB. Das Formerfordernis gilt ebenfalls, sofern einem kurzfristigen Vertrag eine Verlängerungsoptionsklausel beigefügt ist, sodass sich die Vertragslaufzeit über 12 Monate erstrecken könnte. Für Miet-Vorverträge findet § 550 BGB keine Anwendung.
Die Schriftform für Verträge ist in § 126 II BGB normiert und verlangt die Auflistung aller wesentlichen Vertragsbestandteile wie den Vertragsbeginn, den Gegenstand, die finanziellen Konditionen und die Parteien sowie deren Unterschrift. Auch Anlagen zum Vertrag und nachträgliche Abreden müssen mit den essentialia negotii versehen sein, um eindeutig dem Hauptmietvertrag zugeordnet werden zu können. Ist ein Mietvertrag formgerecht verschriftlich worden, dann gilt für diesen die Vermutung der Richtig- und Vollständigkeit, sodass bei anderweitiger Annahme die Beweislast demjenigen obliegt, der das Gegenteil darlegen möchte.

Wird das Gebot der Schriftform allerdings nicht eingehalten, so gilt der Mietvertrag nach § 550 S. 1 BGB als auf „unbestimmte Zeit“ geschlossen. Das hat zur Folge, dass dieser den gesetzlichen Regelungen unterworfen ist und sogemäß §§ 542 I iVm 573c BGB eine ordentliche Kündigung möglich wird. Die Kündigung kann zwar gemäß § 550 S. 2 BGB erst frühestens ein Jahr nach Überlassung des Wohnraumes – und iVm § 578 I BGB des Gewerberaumes – ergehen, jedoch völlig unabhängig davon was ursprünglich hinsichtlich der Dauer des Mietverhältnisses zwischen den Vertragsparteien vereinbart wurde. Mit Vorsicht müssen insbesondere Änderungen oder Zusätze gehandhabt werden, denn deren Formwidrigkeit führt zu einem Schriftform Mangel für den ganzen Vertrag.

Hintergrund des strengen Erfordnisses der Schriftformist historisch betrachtet der Erwerberschutz. Man entschied sich bei der Entwurfsfassung des BGB für das Prinzip „Kauf bricht nicht Miete“ gemäß § 566 BGB, welches bestimmt, dass der Erwerber einer Immobilie in die Verbindlichkeit des alten Vermieters gegenüber dem aktuellen Mieter eintritt. Im Ausgleich dazu, dass sich der Erwerber nicht von dem Mietverhältnis lösen kann, darf er aber auf die ihm vorgelegten Verträge im Zuge der Beweiskraft der Schriftform vertrauen.

Der Wunsch zu einer Gesetzesänderung des § 550 BGB ist nunmehr dadurch aufgekommen, dass in der Praxis das Gebot der Schriftform immer wieder dazu genutzt wurde sich unliebsam gewordener Verträge zu entledigen, indem Mieter oder Vermieter nach Formfehlern in den Verträgen und Zusatzvereinbarungen gesucht haben. Sobald ein solcher gefunden wurde, galt der Vertrag als nicht in schriftlicher Form geschlossen und es konnte dem Vertragspartner zeitnah die ordentliche Kündigung erklärt werden. Insbesondere nachdem der BGH 2017 die Schriftformheilungsklauseln in Mietverträgen für unwirksam erklärte, verschärfte sich die Problematik zunehmend. Der Erwerberschutz steht nicht mehr im Vordergrund des § 550 BGB. Stattdessen hat sich der normative Anwendungsbereich zu einem Schauplatz von Mieter-Vermieter-Streitigkeiten gewandelt.

Vor allem im Bereich des Gewerbemietrechts entwickelte sich eine erhebliche Rechtsunsicherheit, was durch die ansteigende Zahl an Revisionsurteilen der letzten 20 Jahre bewiesen ist. Bei der Anmietung von Gewerbeflächen ist es für den Mieter und Vermieter besonders wichtig die Dauer der Vertragszeit zu kennen, um dieser die Investitionen anzupassen. Der Mieter erwägt häufig Finanzierungshilfen sowie Umbauarbeiten und der Vermieter sichert sich für die vereinbarte Zeit regelmäßige Einnahmen. Ein Vertrauen auf den Bestand des Vertrages ist somit für beide Parteien von hoher Bedeutung.
Im Zuge dessen hatte das Land Nordrhein-Westfalen einen Gesetzesantrag bei dem Bundesrat eingereicht, welcher diesen 2019 an die Bundesregierung weitergeleitet hatte. Zu Beginn des Jahres 2020 ging der Entwurf sowie die dahingehende Stellungnahme der Bundesregierung dem Bundestag zu. Eine Entscheidung der Abgeordneten steht noch aus.

 

Gesetzesentwurf des Bundeslandes NRW und des Bundesrates

Der Gesetzesentwurf beinhaltet vor allem eine Streichung des § 550 BGB und die Aufnahme von Absatz III in § 566 BGB in folgender Ausgestaltung:
„(3) Ist der Mietvertrag für längere Zeit als ein Jahr nicht in schriftlicher Form geschlossen, ist der Erwerber berechtigt, das Mietverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften zu kündigen. Die Kündigung kann nur innerhalb von drei Monaten, nachdem der Erwerber Kenntnis von der ohne Wahrung der erforderlichen Schriftform getroffenen Vereinbarung erlangt hat, erfolgen. Sie ist jedoch frühestens zum Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Wohnraums zulässig. Die Kündigung wird unwirksam, wenn der Mieter ihr binnen zwei Wochen seit Zugang widerspricht und sich mit der Fortsetzung des Mietverhältnisses zu den unter Wahrung der erforderlichen Schriftform getroffenen Vereinbarungen bereit erklärt. Die Kündigung kann nicht auf solche Verstöße gegen die Schriftform gestützt werden, die erst nach dem Erwerb erfolgt sind.“.
Der Bundesrat argumentiert, dass durch die Regelung des Absatzes III in Satz 1 eine Reduzierung des normativen Schutzzweckes auf den Erwerberschutz erreicht werden könnte, welche historisch bereits vorgesehen war. Ferner wird in Satz 2 normiert, dass die Kündigungsfrist des Vermieters auf drei Monate beschränkt wird, sodass der Mieter nicht auf Dauer mit einer Kündigung seitens des Erwerbers rechnen muss. Satz 3 stellt klar, dass die Kündigung jedenfalls frühestens nach einem Jahr nach Wohnraumüberlassung zulässig ist. Der Satz 4 schafft für den Mieter die Widerspruchsmöglichkeit bei einer ordentlichen Kündigung durch den Erwerber wegen Schriftformmangels. Er kann sich dafür entscheiden, das Mietverhältnis zu den Konditionen der schriftformkonform getroffenen Verein-barungen weiterzuführen. Außerdem darf sich die Kündigung des Erwerbers gemäß Satz 5 nicht auf einen Schriftformmangel von Abreden gestützt werden, die nach dem Erwerb erfolgt sind.

Dem Gesetzesentwurf wurden drei Alternativen hinzugefügt, welche jedoch durch den Bundesrat ausdrücklich als nicht zufriedenstellend bezeichnet werden. Die erste Alternative sieht eine ersatzlose Streichung des § 550 BGB sowie die Einführung einer Haftung des Veräußerers vor. Dies wird jedoch abgelehnt, da dem Erwerber die Möglichkeit genommen werden würde sich hinreichend über die Einschränkungen seines Eigentumsrechts zu informieren. Zudem haftet der Veräußerer dem Erwerber gegenüber bereits nach den allgemeinen Schadensersatzregelungen für schuldhafte Pflichtverletzungen. Die zweite Alternative zieht ebenfalls eine ersatzlose Streichung des § 550 BGB in Betracht. Zum Ausgleich wurde die Einführung eines öffentlichen Registers für Mietverträge vorgeschlagen. Das ist mit dem Argument erheblichen Aufwands für die öffentliche Verwaltung als auch für die Vertragsparteien zu missbilligen. Abschließend könnte als dritte Alternative die Streichung der Geltung des § 550 BGB für den Bereich des Gewerbemietrechts durchgeführt werden. Dagegen wirft der Bundesrat ein, dass es zu einer Zersplitterung des Mietrechtes kommen würde, ohne dass ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von Wohn- und Gewerbemietrecht besteht, dass auch im Wohnraummietrecht die Kündigungsmöglichkeit wegen Schriftformmangels ein Missverhältnis darstellt und dass das Informationsinteresse des Erwerbers unangemessen eingeschränkt wäre.

 

Stellungnahme der Bundesregierung

Die Bundesregierung lehnt den Gesetzesentwurf des Bundesrates im Ergebnis ab. Sie entgegnet, dass es im Wohnraummietrecht keine praktischen Probleme mit § 550 BGB gibt und somit kein gesetz-geberischer Handlungsbedarf für eine etwaige Änderung in diesem Bereich besteht. Ferner argumentiert sie, dass die Auswirkungen der angedachten Gesetzesänderung erheblich sein könnten, da nach Streichung des § 550 nur noch das Schriftformgebot des § 575 I BGB für Wohnraummieten gelten würde, welches die Schriftform lediglich bei Begründung einer Befristung des Mietverhältnisses vorsieht und nicht wie der § 550 BGB für andere Vertragsbestimmungen. Außerdem kritisiert sie, dass dem Mieter mit dem neuen Gesetzesentwurf gar keine Kündigungsmöglichkeit bei Schriftformmangel bliebe, während der Vermieter die Immobilie an nahestehende Personen veräußern könnte und sich dadurch weiterhin unliebsam gewordener Verträge mit Mietern entledigen könnte. Darüber hinaus bliebe dem Vermieter-Erwerber ein Wahlrecht, ob er die formlos geschlossene Vereinbarung stillschweigend weiterführen oder unwirksam werden lassen möchte. Zuletzt führt die Bundesregierung an, es könnte zu einem generellen Rückgang schriftlicher Mietverträge kommen, was zu einem Anstieg von Rechtsstreitigkeiten und einer Benachteiligung der schwächeren Parteien führen könnte.

 

Fazit

Unter Einbeziehung sämtlicher oben genannter Aspekte ist sich eindeutig für eine Gesetzesänderung auszusprechen.

Im Hinblick auf den historischen Kontext des § 550 BGB erscheint die Reduzierung des normativen Schutzzweckes auf den Erwerberschutz geboten. Außerdem würde dies auch in der Praxis das Aufkommen an Rechtsstreitigkeiten verringert, weil sich dem § 550 BGB durch Vermieter und Mieter nicht mehr bedient werden könnte, um einem unliebsam gewordenen Vertragspartner unter dem Deckmantel des Schriftformmangels im Mietvertrag ordentlich und damit meistens verfrüht zu kündigen. Ob ohne das Schriftformgebot des § 550 BGB der Beweis- und Übereilungsschutz für Vermieter und Mieter verloren ginge – was die Bundesregierung und der BGH zu bedenken geben –, bleibt fraglich, da sich bereits naturgemäß der Verschriftlichung von Mietverträgen bedient wird. Sollte empirisch betrachtet doch ein Rückgang von formgerechten Mietverträgen festgestellt werden, könnte ein Schriftformzwang für Mietverträge dem Problem Abhilfe leisten. Jedenfalls vermag das Gebot des § 550 BGB offensichtlich nicht die erwünschte Schutzwirkung für die mündlich oder formlos getroffenen Vereinbarungen zu erzeugen, sondern lässt viel mehr einen Raum einen nicht rechts- und rechtsprechungskundigen Vertragspartner auszutricksen. Dieses Argument führt demnach nicht zu einer Rechtfertigung des aktuellen Missverhältnisses und ist zudem historisch nicht von dem Schutzzweck des § 550 BGB umfasst gewesen. Die Beschränkung des § 550 BGB auf das Wohnraummietrecht ist insbesondere hinsichtlich des Informationsrechts und -interesses vom Erwerber der Immobilie zum Ausgleich seines begrenzten Eigentumsrechts nicht in Betracht zu ziehen. Außerdem soll eine Zersplitterung des Mietrechts vermieden werden.

Problematisch erscheint viel eher die Normierung einer Kündigungsfrist von drei Monaten „ab Kenntnis“ des Schriftformmangels für den Erwerber, weil dadurch eine unangemessene Unsicherheit für den Mieter entsteht. Für diesen gibt es keine eindeutige Beweismöglichkeit dafür, ob und wann der Erwerber „Kenntnis“ über die mündlich oder formlos getroffenen Vereinbarungen erworben hat – abgesehen von seinem eigenen Hinweis. Das ist jedoch praxisfern, da der Mieter seinem neuen Vermieter dadurch die Möglichkeit geben würde die entsprechende Vereinbarung nach seinem freien Belieben für wirksam oder unwirksam erklären zu lassen. Somit müsste der Mieter unter Umständen mehrere Jahre in Unsicherheit über den Bestand seiner Vereinbarungen leben.
Vielmehr ist deswegen eine dreimonatige Kündigungsfrist bei Schriftformmangel für den Erwerber „ab Erwerb“ des Wohn- oder Gewerberaumes sinnvoll. Der Erwerber müsste zu seiner Absicherung den Veräußerer ausdrücklich nach mündlich oder formlos getroffenen Vereinbarungen mit dem Mieter fragen und der Veräußerer wäre zur vollständigen Informationsweitergabe gezwungen, um sich vor der Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung sowie etwaigen schadensersatzrechtlichen Ansprüchen zu schützen. Letztlich würde zwar nicht verhindert werden, dass mündlich oder formlos getroffene Vereinbarungen von dem Erwerber gegenüber dem Mieter als unwirksam erklärt werden können. Das Risiko der Unwirksamkeit besteht jedoch immer, wenn einer Abrede zwischen Parteien keine eindeutige Beweisfunktion zukommt. Jedenfalls würde die Regelung dazu führen, dass der Mieter die Unsicherheit hinsichtlich der Kündigungsmöglichkeit bei Schriftformmangel nur für eine absehbare Zeit ertragen müsste. Gleichzeitig genügt dies ebenso dem historisch angestrebten Erwerberschutz, weil das Informieren des Erwerbers über Nebenabreden keine unzumutbare Belastung für ihn darstellt, weil er sowieso in den Vertragsverhandlungen über den Kauf mit dem Veräußerer steckt.
Ergänzend sollte zudem eingebaut werden, dass der Mieter dem Erwerber eine Heilungsmöglichkeit anbieten kann. Wenn nämlich ein Hauptmietvertrag unter einem Schriftformmangel leidet, dann würde auch nicht die Widerspruchsmöglichkeit des Mieters diesen vor dem Ende des Mietverhältnisses bewahren können.
Die Kritik, dass ein Vermieter einen Raum an nahestehende Personen veräußern könnte, um einem unliebsam gewordenen Vertragspartner zeitnah zu kündigen, erfasst ein eher unrealistisches oder zumindest seltenes Szenario, da bei dem Erwerb eine Grunderwerbsteuer sowie einiger weiterer Aufwand anfällt. Außerdem dürfte dies als ein sittenwidriges Geschäft einzuschätzen sein.

Dass eine zweiwöchige Widerspruchsfrist des Mieters hinsichtlich der Kündigung durch den Erwerber gilt, ist gutzuheißen. Es besteht somit nämlich keine verfrühte außervertragliche Möglichkeit der Kündigung, wenn der Mieter sich mit den Vereinbarungen, die schriftformkonform getroffen wurden, zufrieden erklärt. Das ist auch im Sinne des Erwerberschutzes, da dieser lediglich vor Unklarheiten des Mietverhältnisses, in das er gemäß § 566 BGB eintritt, geschützt werden soll. Ferner verhindert die Widerspruchsfrist, dass eine formwidrige Nebenabrede direkt zur Unwirksamkeit des ganzen Vertrages führen kann, so wie es vorher möglich war.

Die Regelung über den frühestmöglichsten Kündigungszeitpunkt, welcher auf den ersten Tag nach Ablauf eines Jahres nach Überlassung des Mietraumes terminiert ist, erscheint fair.

Genauso gibt es keine Einwände gegen das verbot der Kündigung wegen Schriftformmangels durch den Erwerber bezüglich einer formwidrigen Vereinbarung, die nach dem Erwerb des Wohn- oder Gewerberaumes getroffen wurde.

Stand: 14.10.2020

 

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